Dienstag, 15. Februar 2011

Auf welche 2 Arten kann man einen Fluss im isländischen Hochland überqueren?

Neulich traf ich mich mit unserer Bergführerin Ýja in meinem Lieblingscafé „Hemmi&Valdi“ in Reykjavik.


Ich bestellte eine schöne heiße Súkkulaði und Ýja ein trank ein kühles Freyja. Sie sagte, dieses Weizenbier wirke isotonisch und hätte viele Vitamine... Wir lachten viel an diesem Nachmittag.
Ihr müsst euch Ýja so ähnlich wie eine abenteuerliche Björk vorstellen. Sie war übrigens mal eine Zeit als Profi-Snowboarderin in den österreichischen Alpen.

Wir plauderten über unsere Touren im Sommer...
„Dann erzählte mir Ýja diese unglaubliche Geschichte: ...“
Sie war mit einer Wandergruppe tief im isländischen Hochland unterwegs. Die Gruppe – so ein bunt gemischter Haufen aus Abenteurern – war bereits zwei Tage auf dem berühmten Hochland-Treck von Landmannalaugar ins Gletschertal Þórsmörk unterwegs.

Das isländische Hochland ist wunderschön! Irgendwie wild, es gibt total viele Farben und an manchen Stellen riecht es nach Schwefel.

Früh am Morgen hatte die Gruppe gerade das Zeltlager abgebaut, da rief Ýja  alle zu sich heran: „Jungs und Mädels, heute steht Action auf dem Programm! Ich habe gerade von einem anderen Guide gehört, dass ein Fluss auf dem Weg viel Wasser führt. Da gibt es auch keine Brücke, wir müssen also da durch!“ sprach sie mit ihrem charmanten Akzent, den sie während ihrer Jahre in Österreich aufgeschnappt hatte.

Schaute man in die Augen der Gruppe sah man bei einigen Vorfreude und bei den anderen etwas Verunsicherung. „Das wird zwar ein bisschen abenteuerlich aber wir packen das schon gemeinsam!“ beruhigte Ýja.

„Was soll da schon schief gehen!“, murmelte Paul, ein Mittfünfziger aus Österreich. Er hatte seine kleine sportlichen Frau Inge dabei. Sie wollte unbedingt einmal nach Island reisen. Paul war überzeugter Hobby-Alpinist und hatte während der letzten gemütlichen Abende in den Zelten allen ausführlich von seinen Erlebnissen den Alpen berichtet.

Sein Lieblingsspruch war: „Ich bin von München nach Venedig zu Fuß gegangen – das war auch kein Zuckerschlecken!“

Pauls Frau rollte dann immer genervt mit den Augen.
Einige in der Gruppe schmunzelten still.

Aus Norden weht ein frischer Wind. Voller Tatendrang brach die Gruppe auf. Sie liefen durch bemooste Täler und erblickten in der Ferne den berüchtigten Vulkangletscher Eyjafjallajökull, weiß und mächtig im Licht des Vormittags.

(Den Vulkan kennt ihr aus den Nachrichten im April 2010, als die Flugzeuge in ganz Europa wegen der Asche nicht fliegen durften.)

Links und rechts plätscherten kleine Bäche und es sah alles nach einem wunderbaren Trekkingtag durch das isländische Hochland aus.

„Wow!“, hörte man jemanden aus der Gruppe rufen, als sich vor ihnen ein Gletscherfluss mit relativ viel Wasser auftat.

Doch Ýja mit ihrer langjährigen Erfahrung als Trekking-Guide konnte sie mit ihrer charmanten isländischen Art schnell beruhigen: „Ich kenne eine Furt, an der wir einfach den Fluss überqueren können!“

Aber einer aus der Gruppe folgte ihr nicht und schien sich seinen eigenen Weg durch den Fluss suchen zu wollen. Es war unser erfahrener Wanderer Paul. Seine Frau rief zu ihm hinüber: „Komm zurück zu uns, Paul! ...Musst du denn immer deinen eigenen Kopf haben!“

Ýja rief: „Paul, nicht an dieser Stelle! Die ist äußerst ungünstig!“
Aber der störrische Paul watete bereits die ersten Schritte durch den Fluss. Seinem Mut widersetzte sich die unberechenbare Natur Islands... Paul trat auf einen Stein, rutschte aus und fiel Hals über Kopf in das eisige Gletscherwasser!

Ýja war schnell an seiner Seite und half dem pitschnassen Kerl ans andere Ufer. Jeder Handgriff saß, denn Ýja hatte solche Situationen schon oft geübt. Seit Jahren arbeitet sie als Freiwillige beim isländischen Rettungsdienst.

Mittlerweile hatte der Rest der Gruppe und Paul seine Frau den Fluss an der sicheren Stelle überquert. Alle eilten schnell zu Paul und Ýja.

„Mensch Paul, was machst du? Hast Du dich verletzt?“, fragte Ýja  etwas außer Atem. Paul gab Entwarnung.

„Bist du verrückt geworden?“, rief seine Frau.
Paul schwieg.

Dummerweise hatte Paul bei seiner Mutprobe seinen Tagesrucksack auf dem Rücken nass gemacht. „Oh nein!“, rief er. "Meine neue Digitalkamera und mein GPS!". Er hatte sich die Digitalkamera extra vor der Islandreise gekauft. Und so wie sie da durchnässt auf Pauls Schoß lag, sah es nicht gerade günstig aus.

Ýja sorgte sich um Pauls Kleidung!
Die war komplett nass geworden. Schnell gab sie ihm ein Handtuch und ein paar Kleidungsstücke aus ihrem Tagesrucksack. Auch der Rest der Abenteurer teilte Kleidung mit Paul, denn der kalte Nordwind wehte noch immer durch das isländische Hochland.

Paul fror. Das sah man. „Da hilft nur Bewegung!“, rief Ýja.

„Lasst uns aufbrechen, bei der Hütte gibt es eine heiße Quelle!“
Noch immer nicht ganz trocken lief Paul nun mit der Gruppe und ärgerte sich über seine defekte Kamera und über seinen glorreichen Versuch im Allgemeinen.

Am Nachmittag erreichte die Gruppe die Hütte im Hochland. Jeder freute sich auf den angekündigten warmen Hotpot - besonders Paul.

Bald saß die gesamte Gruppe im wohlig warmen Wasser. Sie lachten über das heutige Abenteuer.
Ýja hatte noch etwas Trockenfisch in den Hotpot mitgebracht. Lächelnd gab sie Paul und seiner Frau ein Stückchen: „So, jetzt lasst es euch unter der Mitternachtssonne gut gehen!“

„Gott sei Dank bist du mitgewesen, Ýja!“ sagte Paul.

Seine Frau nickte und bemerkte ganz trocken: „Na ich bin ja gespannt, was uns morgen erwartet!“
Alle im Hotpot fingen an zu lachen.

Zurück in mein Lieblingscafé „Hemmi&Valdi“...  Während ich in Reykjavik meine heiße Schokolade zu Ende schlürfte, erzählte mir Ýja, dass sie immer noch mit Paul und seiner Frau Klara in Kontakt steht.

„Das ist die witzigste Geschichte aus diesem Sommer!“, gluckste sie.
„Mal sehen was wir uns nächste Jahr dann für Stories erzählen...“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen